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Teezeremonie - Blog Posts

6 years ago

Die Teezeremonie VII.und letzter Teil der Tirade

T. begab sich nun zu dem oben erwähnten Treffen und der dabei stattfindenden noch weiter oben erwähnten Anprobe der Rollerblades für seine Tochter, bei der die Mutter seines Kindes, mein Vater und seine Frau H. eingetroffen waren. Zu dieser Gelegenheit wurde in aller Form, wie ich mir ausmale, Familienrat über das Ansinnen des Bedürftigen und der möglichen Zweifel- oder Unzweifelhaftigkeit seiner Gründe, abgehalten. Wie mein Bruder uns ohne Nachfrage hartnäckig versicherte, wurde die Geschichte auf Leib und Nieren von allen Anwesenden gedreht und gewendet, fast wurden noch Passanten angesprochen und um ihre Meinung gefragt, ein Hut war nicht zur Hand, aber sie hätten, als kreative Idee, finde ich, etwas Besonderes singen oder tanzen können, um zu sammeln, damit sie der Betragshöhe nicht allein gegenüber stünden. Man befand die Geschichte mit viereinhalb-zu-null-Stimmen für glaubhaft, bestimmt versicherte man sich gegenseitig, diese Unzweifelhaftigkeit nicht für allgemeingültig zu halten, falls sich in naher Zukunft die Bittsteller häufen würden. Jedoch kam mein Bruder dem bedürftigen migrantischen Menschen letzten Endes (fast)ohne fremde Hilfe zu Hilfe. Die Partnerin meines Bruders, wohl ahnend, dass sie durch ihre betuchtere Herkunft ohne ein Dazutun in der Geschichte vor ihrer Tochter blass dagestanden haben könnte, gab auch etwas dazu, so dass sage und schreibe meiner Erinnerung nach zweiundsiebzig Euro oder sogar vielleicht neunzig Euro zusammenkamen, die mein Bruder dem in der Kälte wartenden, dankbaren Empfänger ca. eine Stunde später zur vereinbarten Zeit aushändigte, nicht ohne sich am liebsten noch von dessen Ankunft in Italien in naher Zukunft informieren lassen zu wollen.

Dieses Rührstückchen bürgerlich besonnener Wohltätigkeit spielte sich hier unter den schmalen Augen der Öffentlichkeit ab, beschaffte uns am vierten Advent fast feuchte Augen und rundete die Teezeremonie der digitalen Bohême in unserer unmittelbaren Verwandtschaft leidlich ab. Mich würde es nicht wundern, wenn sie demnächst in Ihrem SpringerWochenblatt davon läsen. Fröhliches Fest allerseits.

P.S. :

Lesen Sie im nächsten Bericht Wissenswertes über unnütze Tapete und ihre bürgerlich-symbolische Bedeutung


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6 years ago

Die Teezeremonie VI.

Doch zunächst etwas Sprachtheorie : Der unzureichende Begriff Flüchtlingskrise ist eine Wortverdrehung. Es handelt sich um ein trojanisches Teekesselchen , mit deren Hilfe die Bürger und ihre Medien eine eigene Krise bezüglich der Menschlichkeit und Solidarität meinen, obwohl sie sich jederzeit mit horrendem Distinktionsgewinn darauf zurückziehen können, es sei die Krise der ersaufenden, aus- und eingesperrten, versklavten, missbrauchten, ignorierten,verelendeten und deprimierten Flüchtenden gemeint. Kein städtischer Bürger kann wirklich vor diesen Verhältnissen die Augen verschließen.

Laut der Erzählung meines Bruders erschien also jüngst in der hamburger Altstadt zu dieser christlichen Zeit, aber nicht gerade wie einer der drei heiligen Könige, ein dunkelhäutiger, wohl afrikanischstämmiger Mann vor meinem Bruder in der Nähe seiner Wohnung und sprach ihn höflich an. Er bat meinen Bruder um eine Minute seiner Aufmerksamkeit, in der er ihm erzählte, wie er als Flüchtling seit wohl sechs Monaten vergeblich versucht habe, hier in Hamburg Fuß zu fassen, es ihm aber nicht gelungen sei und er nun hoffe, nach Italien zurück zu kehren, wo er seine Frau mit seinen kleinen Sohn zurücklassen musste. Er wolle dort wenigstens mit ihnen gemeinsam das Weihnachtsfest verbringen. Hierfür benötige er das Geld für die Fahrkarte dorthin, nannte einen genauen Fahrpreis von 72 Euro und bat meinen Bruder, ihm Geld dafür zu spenden.

Mein Bruder bat sich nun einige Bedenkzeit aus, wohl um in sich zu gehen und die Sache dahingehend zu überdenken, ob er nicht einem Schwindel aufsäße und - geistesgegenwärtig seine Verabredung mit seinem Kind, dessen Mutter, seinem Vater nebst Frau H. im benachbarten Park überdenkend - und wie ich fürchte, etwa kalkulierend, dass er sich mit diesen eingehend beraten könne, was in dieser Angelegenheit zu tun sei, vielleicht auch, um nicht ganz allein mit diesem Problem zu tun zu haben und zu guter Letzt um es dem Bittenden, sollte er nicht wirklich bedürftig sein, nicht zu leicht zu machen. Kurzum, jener solle sich in einer Stunde wieder an Ort und Stelle einfinden, dann werde man sehen.

(letzte Fortsetzung folgt...)


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6 years ago

Die Teezeremonie V.

Zu gern gibt sich die moderne Bürgerlichkeit der Tugend der Wertschätzung hin(Achtung:Werte werden geschätzt ). Sie mahnt die Wertschätzung von Qualität an, die durch romantisch-ökologische Nachhaltigkeit, eine sakrosankte Tugend der Konservativen, begründet wird. Aus dieser Ecke wehte nun wellenweise der Föhn der Teepackungsansprache den Anwesenden ins Antlitz, derer zufolge jener ein ganz besonderer Tee sei, den sie aus ihrem Urlaub in Sri Lanka vor ein paar Wochen (um Missverständnisse zu vermeiden, wiederhole ich für die Normalsterblichen: „SRI LANKA“) mitgebracht hätten und natürlich nicht einfach dort gekauft, sondern unter den besonders authentischen Umständen einer Teeverkostung auf der ihrem Hotel gegenüberliegenden Teeplantage erstanden und, ich glaube mich zu erinnern, mit Kenntnis der Namen und Personen sämtlicher an der Herstellung des Inhaltes dieser Tüte Tee beteiligten TeepflückerInnen, denen sie schon morgens, wie sie barfüßig zur Arbeit gingen, achtungsvoll grüßend begegnet seien! Vor meinem geistigen Auge läuft der durchidealisierte Werbespot. Ich könnte meinen, gehört zu haben, dass die ArbeiterInnen sogar auf dem Pflückzertifikat namentlich erwähnt seien. Es fehlte nur noch der Hinweis, dass die ArbeiterInnen dafür bezahlen, dort arbeiten zu dürfen.

So wechselte dann diese „Tüte“, nein, dieses Couvert erlesenen Tees seinen Besitzer und wenn ich der neue Besitzer gewesen wäre(Neid?), hätte ich vor lauter Demut diesen Tee, einem Kunstwerke gleich, niemals anrühren, geschweige denn anbrechen können und es entzündete sich ein Familienkrach, wenn der erste Konsument auch nur den Hauch einer Nichtwertschätzung ahnen liesse, so wie es Jugendliche manchmal gedankenlos tun: Das sei doch schließlich der Tee aus Sri Lanka von Onkel T., höre ich ich mich schon mahnen, den könne man doch nicht einfach offen stehen lassen! Wobei mir dazu, um von mir abzulenken, wert-und nichtwertschätzungsmässig, die Geschichte einfällt, mit der dann dieser denkwürdige Vor-Weihnachtsnachmittag beschlossen wurde und deren märchenhafter Inhalt sich anlässlich der aufgeflammten Flüchtlingskrise zutrug und sich nun über uns ergießen sollte.

Fortsetzung folgt....


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6 years ago

Die Teezeremonie IV.

Nachdem wir die allzu bescheidene Geschenkeverteilrunde überspringen um das Kleinklein nicht in materialistische Pedanterie ausarten zu lassen, erstmal ein Gläschen Sekt zu traditionell angebrannten „ Braunen Kuchen“, die mein Vater immer zu Weihnachten macht und über die er immer sagt, wie lange, drei, vier, sechs oder so Tage oder Wochen der Teig geruht hätte und er damit wohl versucht, vom Bitteren des verbrannten Teiges abzulenken. Nach dem zweiten Glas Stimmungsbrause glänzt auch gleich die Nippesdisteltrockenstrauchanrichte in samtbrockatumkränzter Wohnzimmerecke etwas heller, fast wie ein Altar.

Zum Ende der Geschenkrunde mit immerhin selbstgebackenen Keksen und Kuchen(wir haben Glück, wenn es H.s gedeckten Apfelkuchen gibt, den kann sie und es ist für fast jeden ein Stück da), kurz vor dem gefürchteten Abendessen, wandert mit einem Mal, begleitet von einem „Ach, wir haben da noch etwas ,...“ täterätäh, vor den Schössen meines Bruders und seiner beinaheAngetrauten(Lebensgefährtin trifft es auch nicht), eine schicke, extraordinär gefaltet-genietete hellbraune Papptüte kasperlepuppenhaft, langsam aufsteigend, damit die Augen aller Anwesenden auf sie gerichtet werden können, an der Tischkante empor, Richtung Vaddern un sin Fru. Diese brauchen in ihrer ungewohnten, vertütelten Gastgeberrolle etwas, um ihre Aufmerksamkeit auf dieses nicht erwartete Etwas zu richten. Es präsentiert sich aus den Händen meines Bruders und seiner Partnerin, wechselseitig hin- und hergezogen, wer lässt los und den anderen überreichen, halb über den Tisch gereicht und noch einmal unentschieden zurückgezogen, eine Packung exquisiter first-flush-premium-Fairtrade-Tee. Gespannt wartet mindestens das halbe Publikum auf eine Erklärung, zu der mein Bruder sich beeilt, das Wort, fast wie zu einer Tischrede, zu ergreifen.

Fortsetzung folgt...


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6 years ago

Die Teezeremonie  III.

Ein kleines Ritual möchte ich am Rande erwähnen, nämlich den Umstand bzw. Nicht-Umstand, dass es an solchen vierten Adventen bei meinem Vater keinen Weihnachtsbaum gibt, obwohl dieser dann, wenn Heiligabend die Kinder seiner Frau H. zu Besuch sind, aufgestellt und herausgeputzt ist, wie bei Aschenputtels zu Hause. Jedes Jahr meine ich, andere, pseudodiplomatisch angebrachte Gründe für das Fehlen des Bäumchens zu hören. Manchmal war der Baum noch zu teuer, dann wäre er Heiligabend nicht mehr frisch genug gewesen oder es sei ökologisch besser, keinen zu haben, bzw. die Kinder seien zu jung im Verhältnis zum Platz in ihrem Wohnzimmer. Sollte es noch andere Gründe brauchen, hat bestimmt der Singdackel, ein überaus sensibles Hündchen im Haushalt meines Vaters, eine Allergie gegen Tannennadeln bekommen. Dieser Hund kann rechnen, den Tisch abdecken und ist dazu da, ein eventuelles Aufmerksamkeitsdefizit auf Seiten der Frau meines Vaters zu vielen Gelegenheiten auszugleichen, unter anderem als Tierstimmenimitator (Hundegebell). Damit lässt sich auch die Aufmerksamkeit zu Ungunsten meiner meiner Nichte, die so eben nebenbei ihr Weihnachtsgeschenk in Empfang nimmt, da sie nicht mehr warten könne, im Aufmerksamkeitswettbewerb im Zaume halten. Als sich der Hund bei einem Besuch in unserem Haushalt etwas unerzogen zeigte, in dem er sofort nach dem Eintreten zum Esstisch lief, sich unbemerkt eine Lage Parmaschinken vom Tisch zog und verschlang und meine Kinder sich ihm dennoch nicht annahmen, informierte mein Vater sie laut vorwurfsvoll blökend darüber, dass der Hund extra für sie angeschafft worden sei und sie auf ihn ja mal hätten aufpassen können. Ich mag den Namen des Hundes an dieser Stelle nicht kundtun, da er mich zu schmerzlich an das tremolierende Crescendo der gellenden Stimme der H. erinnert, wenn diese mit schrillem Rufen des Hundenamens versucht, das Gebell des Hundes zu unterbrechen. Nun habe ich es ihr gleich getan und dem Hündchen einiges an Aufmerksamkeit verschafft, obwohl die Tochter meines Bruders in der Zwischenzeit ihr Geschenk gar nicht auspacken musste, da es von meinem Vater nicht eingepackt worden war, denn sie wisse ja, was sie bekäme, so meine Vater auf unsere Nachfrage das eingesparte Papier betreffend. Sie hatte die Rollerblades vorher mit ihm anprobiert, bestimmt zu einem Termin, zu dem sie vielleicht vorher ein selbstgemalten Anprobegutschein in Verbindung mit einem Gutschein für eine Kugel Eis von ihm bekommen hatte, das iss´ja wie Weihnachten und Geburtstag zusammen backlash to the fifties.

Fortsetzung folgt....


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6 years ago

Die Teezeremonie I.

- oder: vor Weihnachten rechtzeitig den Liebestermin(BILD) stornieren - Meine Gattin und ich haben genügend Kinder, dass wir uns Weihnachten selbst genug wären. Aus Sicht meiner Verwandten mutmaßlich zu viele, nämlich sechs, meistens aber eher nur fünf, um uns einladen zu wollen können.

„Nein nein“ rufen Vater und Bruder, „Doch doch“, rufe ich zurück.

Obwohl ich dazu anmerken möchte, dass es ihnen nach meiner Kenntnis nicht an Mitteln mangelte, uns einzuladen. Eher wäre nach meinem Dafürhalten die Bequemlichkeit hierfür verantwortlich, eine der Wohlstandsverwahrlosung vorgeordnete bürgerliche Disziplin, die doch in so manch angekommenen Kreisen die Liebe bzw. die Mitmenschlichkeit als protestantisch-soziologischen Imperativ abgelöst hat.

Das traditionelle, auf meinen Wunsch nach der Idee meiner Frau auf den vierten Advent vorverlegte weihnachtliche Treffen mit meinem Vater, seiner Frau und meinem Bruder nebst Lebensgefährtin und Töchterchen plus uns reduzierte fünf Personen, da sich unser Ältester in Köln von solchen wenig er- und einträglichen Verpflichtungen freizuhalten weiß, wobei ich das „frei“ betonen möchte, findet, hart erkommuniziert, bei meinem Vater statt, denn wir haben schon genug an den Geburtstagen aufzutischen, was wir dann auch gern und reichlich vier bis sechs Mal im Jahr tun.

Für unvermeidbare Gastgeberrituale haben mein Vater, als ehemaliger selbständiger Küchenfachverkäufer und seine H., Küchenspezialistin und Haushaltungsdrachen vorderster Couleur, einen besonders kleinen 2-Personenbackofen in ihrer Siematic-Einbauküche, damit nichts zu aufwendig großes, z.B. ein Braten, Einzug in das Speiseangebot bei verpflichtenden Einladungen halten kann.

So antwortet man auf Nachfrage bei seltenster Gelegenheit im Hause meines Vaters zur Geschmacklichkeit des am Tisch raren Roastbeefs natürlich und höflichst beteuernd mit „gutgut“, worauf mein Vater dann erwidert, das habe H. bei Penny gekauft, natürlich fertig zubereitet und vorgeschnitten, als „Delikatess“- Sortierung im Sondersortiment, „Is´doch doll, ODER?“. Gottseidank gab es bei Penny wohl noch keine Delikatessfertigbratkartoffeln, obwohl dann wenigstens etwas mehr davon dagewesen wären. Aber, wie mein Vater seit Jahrzehnten jährlich drei bis vier Mal, so sicher wie das Amen in der Kirche , grinsend zu sagen pflegt „Esst ruhig, im Keller ist noch mehr !“.         Mit diesem mittlerer Weile zu oft bei uns als running-gag gebrauchtem Zitat provozieren meine Kinder bei mir gern Ausschlag, Ekel und schamhaft unterdrückten Ärger und stellen meine Toleranz auf eine harte Probe, denn mit diesem in unserem Haushalt einzigen Tabu-Satz, laut meinem kellerlosen Vater ein familienhistorischer Ausspruch meines gleichfalls kellerlosen Großvaters mütterlicherseits(den ich aber nie aus dessem Mund vernommen hatte), pflegt  mein Vater den deutlichen Mangel an Quantität, der symbolisch für geizhaft mangelnde deutsche Gastgeberqualitäten steht, in seinem Haushalt gemeinsam mit der dazugehörigen, im Zweifel schuldigen Hölleisengretl zu übertünchen, bevor´s im weichen Wessie-Patriarchat alles hübsch mit Kunstseide tapeziert wird.

So sind denn die kulinarischen Erwartungen bei Einladungen meines Vaters recht klein gehalten, wenn es zu einer Einladung in den väterlichen Haushalt geht. Wenigstens bekommt man 2 Sorten Tee aus Puppentassen, wobei auch hier die Dürftigkeit die bemühte Vornehmheit penetriert, sollte man sich zum Beispiel entschließen wollen, die Sorte zu wechseln.

(Fortsetzung folgt...)


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